In den ersten Lebensjahren eines Kindes schreitet die Entwicklung besonders schnell voran, viele wichtige Meilensteine markieren diese Phase. Einer davon ist das Erlernen des Sprechens und die darauffolgende Sprachentwicklung des Sprösslings. Eltern vergleichen Kinder gerne mit denen anderer Paare, nicht selten entsteht ein regelrechter Wettbewerb, welches Kind was und wann kann.
Natürlich gibt es bei der Entwicklung ein paar Richtlinien, zu welchem Zeitpunkt ein Kind welche Dinge können sollte. Dennoch dürfen Eltern nicht vergessen, dass jedes Kind seinen eigenen Rhythmus hat. Jedes Kind ist ein Individuum und entwickelt sich in seinem eigenen Tempo. Deshalb sollte man weder sich, noch das Kind unter Druck setzen, denn irgendwann kann jedes gesunde Kind sprechen.
Schon ein Baby verfügt über die notwendigen Voraussetzungen
Es handelt sich um einen langwierigen Prozess mit zahlreichen Etappen, bis das Kind schließlich richtig sprechen kann. Jede dieser Etappen erfordert vom Kind eine gewisse Reife, es muss bereit sein für den nächsten Schritt. Allerdings sind die dafür benötigten Voraussetzungen schon beim Neugeborenen vorhanden. Schon bei der Geburt sind die wichtigen Sprachzentren im Gehirn entwickelt, diese ermöglichen später nicht nur das Sprechen an sich, sondern auch das Verstehen und die Verarbeitung von Gehörtem und Gesprochenem. Ist das Baby gesund, sind auch schon alle essentiellen Organe und Muskeln ausgebildet, dazu zählen zum Beispiel die Zunge, die Lippen, das Gehör und das Zwerchfell.
Bereits im Bauch der Mutter konnte das Kind typische Geräusche wahrnehmen und hat auch die Stimme der Mutter gehört, all diese Dinge sind ihm demnach schon vertraut. Babys sind schon in der Lage, aus der Vielzahl an Geräuschen einzelne Sprachlaute herauszuhören, diese mag es besonders gerne. Das sind die biologischen Voraussetzungen für das Sprechen, doch jedes Kind möchte Beziehungen zu anderen Menschen aufnehmen, es möchte seine Wünsche und Bedürfnisse mitteilen können, deshalb hat es den angeborenen Willen, Sprache zu erlernen.
Sprache erlernen Kinder von sich aus
Kinder haben von Natur aus den Antrieb dazu, sich sprachliche Fähigkeiten von ganz alleine anzueignen. Bei allen Kindern kann man dabei die gleichen Phasen während der Sprachentwicklung erkennen, die Reihenfolge ist immer die selbe. Allerdings kann es große Unterschiede bezüglich der Geschwindigkeit geben, das bezieht sich nicht nur auf den Zeitpunkt, wann es mit dem Sprechen beginnt, sondern auch darauf, wie schnell der Wortschatz dann erweitert wird. Auch wann es in der Lage ist, einzelne Wörter korrekt auszusprechen oder selbstständig ganze Sätze zu bilden, das ist individuell verschieden.
Bei den meisten Kindern kann man die ersten Worte im Alter zwischen 12 und 18 Monaten vernehmen, in der Regel sind dies „Mama“ und „Papa“. Bei einigen Kindern geht es da viel schneller, sie sprechen ihre ersten Worte schon im ersten Lebensjahr. Auf der anderen Seite gibt es aber Spätzünder, bei denen Eltern unter Umständen bis zum Alter von zwei Jahren auf das erste Wort warten müssen. In der Regel ist es so, dass sich Mädchen bei der Sprachentwicklung etwas leichter tun als Jungen. Auch was den Wortschatz angeht, so kann es gravierende Unterschiede geben. So können Kinder im Alter von etwa 20 Monaten zwischen 50 und 200 Wörtern sprechen, die Spanne ist also relativ groß.
Bei Kindern erfolgt die Sprachentwicklung nach eigenen Regeln
Das Erlernen des Sprechens erfolgt bei Kindern, indem sie Sprache aus ihrer Umgebung wahrnehmen, überwiegend von den Eltern, das Aneignen basiert also auf ihren Erfahrungen aus dem Alltag, dieser so genannte „ungesteuerte Spracherwerb“ erfolgt nur in den ersten Lebensjahren. Gerade in den ersten Monaten fällt es dem Baby immer leichter, ein Gefühl für die Sprachmelodie, die Betonung einzelner Wörter und die Laute seiner Muttersprache zu entwickeln. Zur gleichen Zeit ist das Kind aber auch damit beschäftigt, die eigene Stimme zu erkunden, und zwar auf spielerische Weise. Anfangs sind die Muskelbewegungen noch ganz zufällig, doch das Baby kann sie immer besser kontrollieren, so dass es dann auch bewusst Laute von sich geben kann.
Im weiteren Verlauf können Kinder dann benennen, was sie gerade tun und was sie hören und sehen. Jedoch geht es in dieser Phase noch um weit mehr als das gesagte Wort an sich, denn ein einzelnes Wort kann in diesem Alter noch viele verschiedene Dinge ausdrücken. Indem Kinder in ihrer Umgebung Sprache wahrnehmen, entwickeln sie mit der Zeit einen Sinn für die Logik dahinter. Wie ein Wort verwendet wird, bekommen die Kinder immer bewusster mit. Dieses Wissen wird dann auch konsequent angewendet, auch wenn die Satzkonstruktionen häufig noch ganz falsch sind. Kinder machen sich die Regeln der Sprache nicht bewusst, sie wird ganz automatisch Schritt für Schritt erlernt und perfektioniert.
Wichtige Etappen bei der Sprachentwicklung
Egal, mit welcher Geschwindigkeit ein Kind die Sprache erlernt, die folgenden Stationen durchlaufen alle, wenn auch in ihrem eigenen Tempo:
Schwangerschaft und Geburt
Schon im Bauch der Mutter werden vom Baby die Körperteile trainiert, die später für den Spracherwerb benötigt werden, wie der Gaumen, die Zunge oder die Lippen. Ist der Embryo vier Monate alt, kann er aus der Umgebung bereits Geräusche und Stimmen wahrnehmen. Wenn sich die werdende Mutter viel bewegt, werden die Wahrnehmung und der Gleichgewichtssinn des Ungeborenen gefördert. Eltern sollten schon zu diesem Zeitpunkt viel mit ihrem Kind reden und ihm Lieder vorsingen, Lärm und Geschrei sind dagegen möglichst zu vermeiden. Bei der Entbindung verändert sich die Atmung des Säuglings – er schreit zum ersten Mal, und auch in der nächsten Zeit kann er nur auf diese Weise Kontakt zur Umwelt aufnehmen.
1. und 2. Lebensmonat
Schon in den ersten vier Wochen kann das Baby zwischen verschiedenen Lauten variieren. In dieser Frühphase ist es wichtig, dass Eltern viel mit ihrem Kind spielen und dabei mit ihm sprechen oder ihm etwas vorsingen. Auch während dem Wickeln oder Füttern sollte der Blickkontakt immer aufrechterhalten und viel erzählt werden. Im Lauf des zweiten Monats fängt das Baby dann schon an vergnügt zu quietschen, zu lallen oder zu gurren. Eltern können die Sprachentwicklung fördern, indem sie positiv auf die unterschiedlichen Laute reagieren und diese nachmachen.
3. bis 6. Lebensmonat
In dieser Zeit bildet das Baby schon eine Vielzahl an Lauten, es reagiert deutlich auf die Ansprache und den Gesang seiner Eltern, fängt an zu lachen und dreht sich in die Richtung, aus welcher Geräusche kommen. Blickkontakt und das gemeinsame Spielen sind in dieser Phase enorm wichtig, auch während ganz alltäglicher Tätigkeiten sollten Eltern immer mit ihrem Kind sprechen. Sie sollten ihrem Baby verschiedene Dinge zeigen und diese beim Namen benennen. Es ist förderlich, wenn Eltern sich über die unterschiedlichen Laute des Kindes freuen und diese wiederholen, das spornt den Sprössling zusätzlich an.
6. bis 9. Lebensmonat
In diesem Zeitraum befindet sich die zweite so genannte Lallphase, in welcher das Baby deutlich mehr plappert. Außerdem kann es bereits die ersten Wörter verstehen und sich mit leichten Gebärden ausdrücken, es sind auch schon die ersten Doppelsilben zu vernehmen. Gibt es Rückschritte in der Sprachentwicklung, muss man zu dieser Zeit an eventuelle Hörstörungen denken und sollte dies ärztlich abklären lassen. Gegenstände in der Umgebung können jetzt schon mit einem kurzen Satz umschrieben werden. In dieser Zeit sind Bewegungsspiele sehr sinnvoll, dabei können Kinder ihre Eltern nachahmen und Gesten erlernen.
10. bis 12. Lebensmonat
Inzwischen kann das Baby bestimmten Dingen schon eine spezielle Kombination von Lauten zuordnen, oder auch einer ganzen Kategorie. So kann es passieren, dass mit „Wau Wau“ nicht nur der Hund gemeint ist, sondern allgemein Tiere. So werden also bereits die ersten Wörter gebildet und das Kind ist in der Lage, Gefühle und Wünsche durch eine bestimmte Stimmlage zu äußern. In diesem Alter sollte es dem Baby möglich sein, den Mund die meiste Zeit geschlossen zu halten und einen Löffel abzulecken. Jetzt kann man dem Kind bereits Fragen stellen und es auffordern, bestimmte Dinge zu holen, so kann das Sprachverständnis überprüft werden. Eltern können mit dem Baby schon einfache Bilderbücher anschauen und dabei die einzelnen Gegenstände benennen. Dabei sollte man aber ganz normal mit dem Kind in ganzen Sätzen sprechen und nicht in der typischen Babysprache.
12. bis 18. Lebensmonat
Nun kann das Kind schon Einwortsätze von sich geben und benennt Dinge mit ganz spezifischen Lauten. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Sprachentwicklung so weit fortgeschritten sein, dass das Baby den Familienangehörigen, sich selbst und seinem Spielzeug ganz bestimmte Laute zuordnen kann. Mittlerweile sind dem Kind zwischen 10 und 20 Wörter bekannt, es übt sich auch schon darin, bei Liedern mitzusingen. Beim Spielen mit dem Kind können die Eltern nun ihr Tun komplett kommentieren und dem Kind zeigen, was es mit dem Spielzeug anstellen kann. Ideal sind in dieser Phase leichte Versteckspiele, das Anschauen von Bilderbüchern, Kniereiter, Singen und Reime.
19. bis 24. Lebensmonat
In diesem Alter beginnt das Kind damit, immer häufiger Sätze aus zwei bis drei Wörtern zu bilden, der Wortschatz umfasst schon bis zu 50 Wörter. Inzwischen sollte der Sprössling schon überwiegend Wörter mit Konsonanten bilden können. Darüber hinaus müsste es bestimmte Eigenschaften richtig benutzen und zuordnen können. Inzwischen ist das Kind auch in der Lage, seine Wünsche und Bedürfnisse recht genau zu äußern. Bezugspersonen werden mittlerweile korrekt mit dem Namen angesprochen, und besonders gerne werden Tierlaute nachgeahmt. Beim Anschauen von Bilderbüchern kann man sich vom Kind bestimmte Dinge zeigen lassen. Am Ende vom Tag kann man noch einmal erzählen, was man alles gemeinsam erlebt hat.
2. bis 3. Lebensjahr
Ab dem zweiten Lebensjahr kommen zur Sprache des Kindes nun Pronomen, Verben, Doppelkonsonanten, schwierigere Lautverbindungen, Warum-Fragen sowie kurze Sätze hinzu. Nachdem es sich selbst beim Vornamen nannte, ist es inzwischen in der Lage, auch „ich“ zu sich sagen zu können. Farben sind mittlerweile bekannt und können auch entsprechend benannt werden. Mit Kuscheltieren und Puppen werden jetzt Gespräche geführt, in Bilderbüchern kann das Kind einfache Handlungen erkennen. Eltern können ihr Kind in dieser Phase fördern, indem sie es mit vielen verschiedenen Materialien spielen lassen und zusammen mit ihm malen. Immer wieder kann man über Ereignisse und Erlebnisse aus der Vergangenheit erzählen und das Kind auch an Geschichten erinnern, die man ihm bereits früher einmal erzählt hatte. Außerdem kann man das Kind erzählen lassen, was es an einem Tag so alles gemacht und erlebt hat. Zu diesem Zeitpunkt ist es sehr hilfreich, wenn man dem Kind viel vorliest und es anschließend auch davon erzählen lässt.
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